„Ein Gespräch über nötige Veränderungen, dumme Stadtviertel und den Zauber von Tempo 30“ ─ In der DIE ZEIT Ausgabe vom 28. Oktober 2021 wurde Konrad Rothfuchs, Geschäftsführer des Verkehrsplanungsbüros ARGUS Stadt und Verkehr, zu den Themen Mobilitätswende und Veränderungen im Verkehr im Hinblick auf Hamburg interviewt.

© Roman Pawlowski für DIE ZEIT

Die 15-Minuten-Stadt, Flugtaxen, Klimaschutz ­­– in der Verkehrsplanung gibt es aktuell viele Debatten, die mittlerweile im gesamtgesellschaftlichen Diskurs angekommen sind. Im Interview mit der ZEIT räumt Konrad Rothfuchs, Geschäftsführer von ARGUS Stadt und Verkehr, mit einigen populären Mythen rund um die Mobilitätswende auf und zeichnet ein positives Bild für die Verkehrsentwicklungen in Hamburg.

Genau wie in anderen Metropolen wird auch in der Hansestadt darüber diskutiert, wie man sich in Zukunft fortbewegen wird. Stadt- und Verkehrsplaner Konrad Rothfuchs wertet die zu beobachtende Abnahme der zurückgelegten Wege mit dem privaten Pkw als positives Zeichen. Dennoch seien die aktuellen Entwicklungen längst nicht ausreichend, um eine Verkehrswende erreichen zu können. Die Klimaschutzziele können bis 2030 nur erreicht werden, wenn einerseits der MIV Anteil um 30 Prozent reduziert wird während gleichzeitig die Mobilitätswende in der Stadt- und Quartiersentwicklung mitgedacht wird. Wichtig sei dabei, dass attraktive Alternativen geschaffen werden, wie die neue U-Bahn-Linie U5 und die Velorouten als Beispiele in Hamburg.

Zu den Diskussionen über Drohnen und autonomes Fahren als beispielhafte Mobilitätslösungen der Zukunft zeigt sich Herr Rothfuchs eher skeptisch. Die Ansätze seien nicht zielführend, um eine Verkehrswende einzuleiten. Das Leitbild der 15-Minuten-Stadt, welches momentan in fast allen Metropolen diskutiert wird, sei hingegend ein sinnvoller Ansatz den MIV zu reduzieren. Dabei ginge es vor allem darum, den Menschen all das was sie zum Leben benötigen – fußläufig und per Rad – schnell und einfach zugänglich zu machen. Das sei jedoch nur möglich, wenn man aufhöre „dumme Stadtteile“ zu planen. Stattdessen brauche es durchmischte Quartiere mit zusätzlichen Mobilitätsangeboten, unterstützt von einer guten ÖPNV-Erreichbarkeit.

„Wir müssen aufhören, dumme Stadtteile zu bauen.“

Bezogen auf Hamburg lassen sich hinsichtlich einer Verkehrswende in den letzten Jahren durchaus positive Entwicklungen beobachten. Verkehrsversuche wie „Ottensen macht Platz“ oder „autofreies Rathausquartier“ erzielten mehr Wirkung als die zahlreichen Diskussionen im Vorhinein, da sie die realen Folgen der Verkehrsänderungen sichtbar machten. Hier zeigt sich, dass neben den zahlreichen Steuerungsmöglichkeiten oftmals der Mut entscheidend ist, grundlegende Veränderungen zu wagen. In vielen Fällen habe sich schon gezeigt, dass Szenarien, welche anhand der vorausgegangenen Berechnungen ausgeschlossen wurden, in der Praxis wünschenswerte Ergebnisse hervorbringen.

Abschließend mahnt Herr Rothfuchs zur Vorsicht und zeichnet eine positive Vision: Wenn es um die Mobilitätswende ginge, dürften Stellschrauben nicht zu schnell angezogen werden, sonst stoße man auf Widerstand und erhalte unzufriedene Bürger:innen. Jede:r Einzelne habe eine konkrete Vorstellung wie ein Wandel passieren könnte, doch wenn es dann um die Veränderung des eigenen Mobilitätsverhaltens ginge, nehme die Bereitschaft ab. Hier ist ein Reframing notwendig: Statt allein die paar Minuten Zeitunterschied zwischen der Anreise mit dem Auto und dem Rad aufzuwiegen, sieht Konrad Rothfuchs die Bewegung an der frischen Luft mit Ausblicken über die Alster während seines alltäglichen Radwegs zu ARGUS für sich selber als Geschenk an.